Gesundheitliche Folgen

Gesundheitliche Folgen
der Genitalverstümmelung

Die Folgen der Beschneidung weiblicher Genitalien hängen vom Typ des Eingriffs, den (hygienischen) Durchführungsbedingungen sowie dem allgemeinen Gesundheitszustand des Mädchens oder der jungen Frau ab. Unter anderem können folgende akute, chronische, psychische, psychosomatische und physische Folgen auftreten:

Die Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung

Große Schmerzen, Schock & Psychotraumata

Im Normalfall erfolgt die Beschneidung der Mädchen – insbesondere, wenn sie von traditionellen Beschneiderinnen durchgeführt werden – ohne Narkose oder örtliche Betäubung. Da der Genitalbereich extrem sensibel und mit vielen Nerven und Arterien versorgt ist, führt der Eingriff zu besonders starken Schmerzen, so dass die Mädchen von mehreren Erwachsenen festgehalten werden müssen.

 

Schmerzen im Genitalbereich sind nicht selten ein lebenslanger Begleiter. Des Weiteren kann die Verstümmelung Krampfanfälle und Schockzustände auslösen, die bis zum Tod führen können.

 

Sehr traumatisierend wirkt auf viele Mädchen die Tatsache, dass engste Verwandte, meist die Mutter oder Tante, sie der Beschneiderin übergeben und sie während der Prozedur festhalten. Das Gefühl im Stich gelassen zu werden kann mit einem massiven Vertrauensverlust und einem lebenslangen Trauma einhergehen.

 

Nicht minder traumatisierend wirkt sich das Verbot aus, während der Behandlung den Schmerz laut zu äußern. Wenn sie weinen, schreien oder sich gar wehren, drohen den Mädchen der Ausschluss aus der Gemeinschaft und die soziale Isolation. Die Amputation der Klitoris und/oder der Schamlippen sind für sich genommen bereits ein traumatisches Ereignis. Das Gebot, den Schmerz nicht äußern zu dürfen, verstärkt das Trauma. Diese körperliche und seelische Belastung kann zu Verdrängungen, Depressionen und Verhaltensstörungen führen, die mit den Folgen von Vergewaltigungs- und Folteropfern vergleichbar sind.

Infektionen & übertragene Krankheiten

Da die Beschneidung nicht in Krankenhäusern oder Arztpraxen vorgenommen und meist, insbesondere in ländlichen Gegenden, von traditionellen Beschneiderinnen durchgeführt werden, sind die hygienischen Bedingungen unzureichend. Die Werkzeuge wie Messer, Rasierklingen, Scheren oder Glasscherben werden bei mehreren Mädchen eingesetzt. Da sie nicht sterilisiert oder desinfiziert werden sind das Infektionsrisiko (z.B. Blutvergiftung, Hepatitis) und die Übertragung von Krankheiten wie HIV/AIDS sehr hoch.

 

Durch Entzündungen und den Harnverhalt, der bei der Infibulation durch das verkleinerte Austrittsloch verursacht wird, können sich akute und langfristige Komplikationen ergeben (z.B. chronische Harnwegsinfektionen).

 

Blutverlust

Je nach Form der Beschneidung amputiert die Beschneiderin die gesamten äußeren Geschlechtsorgane oder Teile davon. Um die Wunde zu verschließen werden Akaziendornen, Bindfaden, Tierdarm oder Eisenringe verwendet. Asche, Kräuter, kaltes Wasser, Pflanzensäfte oder Blätter sollen die bei der Amputation häufig auftretende starke Blutung stoppen. Doch nicht selten verbluten die Mädchen, denn auch noch rund eine Woche nach der Beschneidung können starke Blutungen auftreten, wenn sich die Kruste über der klitoralen Arterie ablöst.

 

Verletzungen, Inkontinenz und Fistelbildung

Da es sich bei den traditionellen Beschneiderinnen meist um ältere Frauen handelt, deren Sehvermögen bereits nachgelassen hat und die ihre Hände nicht immer vollkommen ruhig führen können, sind Verletzungen am Gewebe, dem Schließmuskel oder der Harnröhre nicht auszuschließen. Solche Verletzungen können zur Fistelbildung und zu einem unkontrollierten Abfluss von Urin und Fäkalien führen.

 

Sexuelle & reproduktive Probleme

Je nach Beschneidungstyp hat der Eingriff großen Einfluss auf die sexuelle Erlebnisfähigkeit der Frauen. Oft stellt die Verstümmelung der äußeren weiblichen Genitalien eine irreparable Schädigung der sexuellen funktionellen Einheit der Frau dar.

 

Das harte und wenig dehnbare Narbengewebe erschwert die Penetration durch den Mann. Insbesondere bei infibulierten Frauen müsste die Vaginalöffnung für den ersten Geschlechtsverkehr aufgeschnitten werden. Da dies jedoch einem Ehrverlust für die Ehemänner gleichzusetzen ist, wird zumeist auf Alkohol als Betäubungsmittel zurückgegriffen, um dann durch die mechanische Penetration die Frau gewaltsam zu öffnen.

 

Für die Geburt eines Kindes müssen die vorhandenen Narben ebenfalls von erfahrenen Geburtshelferinnen geöffnet werden. Durch die Härte und eingeschränkte Elastizität des Narbengewebes kann sich der Geburtskanal nicht ausreichend weiten. Das kann lebensbedrohliche Konsequenzen für Mutter und Kind haben. Auch sind Komplikationen wie schwere Blutungen bei beschnittenen Frauen häufiger dokumentiert als bei unbeschnittenen (Laut einer Studie der WHO von 2006).

 

Manch infibulierte Frau, die für die Geburt aufgeschnitten wurde, wird nach der Geburt wieder refibuliert, also nochmals zugenäht und damit erneut traumatisiert.

 

Erhöhte Sterblichkeitsrate der Kinder

Nach Ergebnissen der oben erwähnten Studie fördert die Beschneidung ebenfalls eine erhöhte Säuglings- und Kindersterblichkeit.

 

Unfruchtbarkeit

Forschungen haben bestätigt, dass vor allem schwere Genitalbeschneidungen das Risiko zur Unfruchtbarkeit einer Frau merklich steigern.

 

Entstehung von Narbenwülsten

An den Narben können Narbenwülste entstehen, die zu einer Verengung der Scheide und damit zu Komplikationen beim Urinieren, Geschlechtsverkehr und bei Geburten führen kann.

 

Irreversible Schäden

Ein Großteil, insbesondere der schwereren Formen, der Beschneidung ist irreversibel. Zwar wird auf diesem Feld viel geforscht; vor allem der französische Gynäkologe Dr. Pierre Foldès hat in den letzten Jahren operative Eingriffe entwickelt, um die Schäden durch Beschneidungen zumindest teilweise rückgängig machen zu können. Zu diesen Techniken gehören das Abtragen von Narbengewebe, das (teilweise) Wiederherstellen der Schamlippen oder auch das Auswärtsstülpen des inneren Teils der Klitoris, um die Amputation zu kompensieren.

 

Dennoch:

Die physischen und psychischen Folgen der genitalen Verstümmelung können nur selten vollständig behoben werden.

Hadja Kitagbe Kaba

Gründerin, Referentin FGM
† 25. Mai 2015