Kultureller Hintergrund

Kultureller Hintergrund
der Genitalverstümmelung

Die Beschneidung von Frauen hat in Afrika eine sehr lange Tradition. Ihre Anfänge reichen etwa 5000 Jahre zurück in die Vergangenheit. Noch immer ist der Glaube an das Gute daran ungebrochen.

Die Gründe, warum eine afrikanische Frau, die selbst die schmerzvolle Erfahrung der Beschneidung und ihrer Folgen gemacht hat, diese Tradition an ihren eigenen Töchtern weiterleben lässt, sind für Europäer meist schwer nachvollziehbar. Die Motive sind mannigfaltig und unterscheiden sich u.a. durch Ethnie und Region, wurzeln jedoch überwiegend im Glauben und der Tradition.

Fatou wird heute beschnitten

Soziale Diskriminierung

Einer der wichtigsten Gründe ist ohne Frage die Stigmatisierung. Unbeschnittene Frauen werden aus der Gemeinschaft ausgestoßen und als „Unbeschnittene“ beschimpft. Da in Guinea die Polygamie praktiziert wird, die Frauen gleichzeitig aber auf die materielle Unterstützung durch den Mann angewiesen sind, stehen die Frauen unter einem enormen Druck. Rivalitäten z.B. unter Erst- und Zweitfrauen können schnell entstehen.

 

Initiation

Kleine Mädchen sehnen sich oft nach ihrer Beschneidung. Ohne genau zu wissen, worum es geht und was es mit der Beschneidung auf sich hat, können sie den Tag der Initiation kaum erwarten. Denn mit diesem Ritual werden sie endlich zur Frau und offiziell in die Gemeinschaft aufgenommen; mit diesem Ritual sind ein großes Fest, Geschenke und Anerkennung verbunden.

 

Reinheit

Viele Frauen und Männer in Guinea glauben, dass eine unbeschnittene Frau unrein sei. Daher werden die Mädchen zur Beschneiderin gebracht – um ihnen nicht die Chance zu nehmen, einen Mann zu finden und damit die notwendige materielle Sicherheit zu erlangen.

 

Prostitution

Durch die Entfernung der Klitoris wird zweifelsfrei die Empfindsamkeit der Frau eingeschränkt. Der Glaube ist weit verbreitet, dass die Mädchen nur so vor der Prostitution bewahrt werden können.

 

Unfruchtbarkeit

Die Klitoris gilt als eine der Ursachen für die Unfruchtbarkeit der Frau und wird aus diesem Grund oft entfernt.

 

Religion

Unter den Moslems, die den Großteil der Bevölkerung Guineas ausmachen, kann die Beschneidung Ausdruck sein für die Solidarität mit Agathe (Hacer). Die Sklavin und Ehefrau Ibrahims hatte sich auf Befehl ihrer Mitfrau beschneiden lassen.

 

Kindstot

Viele Frauen glauben, dass das Kind sterben kann, wenn es bei der Geburt die Klitoris der Mutter berührt.

Die vorgenannten Motive sind Hauptursache dafür, warum auch heute noch rund 90 Prozent aller Mädchen und Frauen in Guinea beschnitten sind. So schwer nachvollziehbar das auch für Europäer sein mag, muss man sich das kulturelle Umfeld in Erinnerung rufen:

 

Rund 60 Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten. Sie haben nie eine Schule besucht und können weder lesen noch schreiben. Viele wissen daher nicht, dass die Beschneidung unter Strafe verboten ist.

 

Die Beschneidung ist ein Tabu-Thema, das nicht einmal unter den Frauen diskutiert wird. Hat eine Mutter Zweifel, erahnt sie einen Zusammenhang z.B. zwischen Inkontinenz und Beschneidung, so wird sie diese Zweifel kaum äußern. Doch selbst wenn sie sich dazu entschließt, ihre Tochter nicht beschneiden zu lassen, das kleine Mädchen hat kaum eine Chance in einem Land, in dem nicht nur die eigene Mutter, sondern auch die Großmutter, die Tante und sogar die Nachbarin das Recht haben, sie zur Beschneiderin zu bringen.

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